Nach längeren Vorbereitungen des Fachbereichs Alte Sprachen war es am 17. März 2017 soweit: Schulleiterin Gabriele Rupprecht öffnete die Tür zum Scriptorium, dem bisherigen Kartenraum der Schule, und trat unter das Schreibzelt.

Die Zeltkonstruktion, von drei Kolleginnen erdacht und konstruiert, beherbergt einen alten Schreibtisch und weitere Antiquitäten: Eine Lampe, die ein warmes Licht ausstrahlt, eine Buchstütze, auf der eine Textausgabe der Metamorphosen von 1898 zu finden ist, und ein Ziegenfell als Teppich. Auf diese Weise ist ein behaglicher Raum entstanden, in dem man sich wohlfühlen, Ruhe finden und sich konzentrieren kann.

Besonders wichtig sind die Schreibmaterialien: Eine Holzunterlage, in welche die Schreibrolle eingespannt ist, die nun fortlaufend beschrieben werden soll, und schwarze Tintenstifte. Auf der linken Seite der Schreibunterlage blickt man auf die Textvorlage und eine Schreibanleitung, zur rechten auf die schon erwähnte Buchstütze mit der alten Textausgabe.

Eine Hilfe soll außerdem die zweisprachige Textausgabe der Metamorphosen sein, damit eventuell nachgelesen werden kann, was man alles abgeschrieben hat. Vielleicht findet der eine oder die andere Gefallen daran und vertieft sich ein wenig mehr in Ovids Verwandlungssagen.

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Die Schulleiterin übernahm es, die ersten vier Verse der Metamorphosen, das Vorwort des Dichters, abzuschreiben, und setzte damit den Anfang, dem sich zwei Siebtklässler anschlossen und die Abschrift in akkurater Schönschrift fortführten.

Alle drei Schreiber verewigten sich anschließend in der Teilnehmerliste, die nicht nur anzeigt, wo der letzte Schreiber jeweils aufgehört hat, sondern die auch zu einer Auswertung des Experiments beitragen soll: Welche Einzelperson, welche Klasse schreibt die meisten Verse ab? An welchem Tag des Jahres werden die meisten Verse geschrieben? Der Anfang ist nun gemacht. Erkennbar ist bereits nach wenigen Tagen, dass dieses (Teil)Projekt sehr gut angenommen wird.

Doch das Ovid-Projekt geht noch viel weiter. Für die Projekttage vom 12. bis zum 14. Juli 2017 können die Schülerinnen und Schüler unter 26 verschiedenen Projekten zum Thema auswählen. Dabei sind fächerübergreifend und fächervernetzend alle an der Schule angebotenen Fächer vertreten, und es gibt reizvolle Fächerkombinationen, etwa wenn die Biologen oder Mathematiker mit den Lateinern zusammenarbeiten. Vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2017 haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Erst-, Zweit-, und Drittwünsche für die Projektarbeit zu notieren. Am Sonnabend, dem 15.07., werden im Rahmen des diesjährigen Sommerfestes die Ergebnisse des gesamten Ovid-Projekts präsentiert. Die drei Tage davor (12.–14.Juli) arbeiten die Schülerinnen und Schüler an den einzelnen Projekten. Für den 12. Juli konnte Frau Prof. Melanie Möller (FU Berlin) für einen einführenden Ovid-Vortrag in der Aula gewonnen werden.

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Dem Fachbereich Alte Sprachen ist es gelungen, das Kollegium und auch die Eltern von diesem Projekt, dessen erste Ideen im letzten Sommer bei einer Fahrradtour des FBs nach Ankershagen entstanden sind, zu überzeugen. Z.B. bekamen die Kollegen und Kolleginnen die Anregung zum Scriptorium aus der örtlichen Kirche gegenüber dem Schliemann-Museum. Das Kollegium konnte dazu gewonnen werden, sich aus der Perspektive der verschiedenen Fachbereiche dem Autor Ovid zu nähern und dafür Projekte zu entwickeln. Dafür wurde ein gemeinsamer Studientag am 2.05. genutzt. Nach einem einführenden Vortrag von Herrn Dr. Marcel Humar und Andreas Wenzel haben die Kolleginnen und Kollegen an ihren Projekten gearbeitet und ihre „Abstracts“ formuliert.

Links zum Projekt:

http://www.goethe-gymnasium-berlin.cidsnet.de/images/phocagallery/projekttage/projekttage2017/projekte-unterstufe.pdf

http://www.goethe-gymnasium-berlin.cidsnet.de/images/phocagallery/projekttage/projekttage2017/projekte-mittelstufe.pdf

http://www.goethe-gymnasium-berlin.cidsnet.de/images/phocagallery/projekttage/projekttage2017/projekte-oberstufe.pdf

http://www.goethe-gymnasium-berlin.cidsnet.de/latein-projekte/532-latein-scriptorium02

Auswahl aus Projektthemen 

Mathematische Metamorphosen: Wie aus dem Chaos Ordnung entsteht. 

Ausgehend von Ovids erstem Buch der Metamorphosen, in dem die Entstehung der Welt aus dem Chaos geschildert wird, wollen wir uns fragen, wie sich der Begriff der Metamorphose auf die Mathematik übertragen lässt, und uns der Chaos-theorie zuwenden.  

In diesem Projekt werdet ihr euch mit Fraktalen, also mit speziellen dynamischen Systemen, beschäftigen, deren zeitliche Entwicklung zunächst unvorhersagbar scheint. 

Ihr erfahrt, dass sich diese Systeme mit klassischen deterministischen Gleichungen beschreiben lassen. Mithilfe einer mathematischen Software (z.B. Geogebra, MATLAB oder MathCAD) visualisiert ihr einige von zahlreichen bekannten Fraktalen und versucht zu verstehen, wie man in einer scheinbaren Unordnung Ordnung erkennen kann. 

Das Projekt richtet sich in erster Linie an Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 9-11. Nach Rücksprache können aber auch Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse teilnehmen. So ist es möglich, zunächst mit einfacheren mathematischen Transformationen wie Spiegelungen und Drehungen zu arbeiten. 

Im Sinne der Projektwoche wollen wir an geeigneten Stellen auch wieder Bezüge zu Ovid herstellen und nach Strukturen in seinem Werk suchen, mit denen er die große Zahl von ca. 250 sehr unterschiedlichen Metamorphosen nicht nur geordnet, sondern zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk komponiert hat. 

Voraussetzungen: Interesse an Mathematik; Bereitschaft, im zweidimensionalen Raum (bzw. in der komplexen Ebene, also mit komplexen Zahlen) zu arbeiten; Bereitschaft, Grundlagen des Programmierens kennenzulernen.    

Klassenstufen: 9, 10, 11 (Q2). Nach Rücksprache mit den ProjektleiterInnen ist die Teilnahme bereits ab der 8. Klasse möglich. 

Teilnehmerzahl: max. 10 SchülerInnen 

Stop-Motion-Filme: Die Metamorphosen Ovids in Kunst und Biologie

Gestaltwechsel sind in der Biologie keine Seltenheit: Die Raupe verwandelt sich in einen Schmetterling, die Kaulquappe in einen Frosch. Aber auch Kohlrabi, Dornen und Ranken stellen Abwandlungen ursprünglicher Grundorgane der Pflanze als Anpassung an besondere Lebensbedingungen dar. Die Metamorphosen Ovids greifen die Idee der Gestaltumwandlung auf. Bei seinen Verwandlungsgeschichten werden meist Menschen oder niedere Götter zu Pflanzen, Tieren oder Sternbildern.  

In diesem Projekt werden Kurzfilme zum Thema Metamorphosen erstellt. Dazu wird die Stop-Motion-Filmtechnik benutzt, in der viele Einzelbilder aufgenommen und aneinandergereiht werden. Für die Einzelbilder können verschiedene Techniken verwendet werden (Knetfiguren, Legebilder, Arbeiten mit Kohle, Bleistift und anderen Farben). 

Ablauf: 

Tag 1: Der Umgang mit der Stop-Motion-App wird beim Erstellen kleiner Filme geübt.  

Tag 2: Künstlerische Umsetzung einer Verwandlung als Kurzfilm 

Tag 3: Fortsetzung bzw. Erweiterung der Arbeit, Technikprobe 

Voraussetzung: Für das Projekt brauchst du ein Smartphone auf dem die Stop-Motion-App installiert wird (Einverständnis der Eltern). 

Ransmayrs „Die letzte Welt“ und Ovids „Metamorphosen“ 

Ovids epische Dichtung „Metamorphosen” gehört zu den einflussreichsten Werken der europäischen Geistesgeschichte. Jede Epoche brachte ihre eigenen Variationen und Aneignungen hervor. Die vielleicht berühmteste postmoderne Rezeption ist Christoph Ransmayrs Roman „Die letzte Welt” aus dem Jahr 1988. In dieser Projektgruppe werden Passagen beider Werke miteinander verglichen und kontrastiert. Dabei soll einerseits der postmoderne Blick auf klassische Literatur vermittelt und diskutiert werden, andererseits wollen wir gemeinsam nach Formen suchen, die Querverbindungen der zwei unterschiedlichen Klassiker in anschaulicher Weise zu präsentieren. 

Thema: Pygmalion 

Fächer: Tanz/ Musik/ Kunst

Klassen: 5–11

Schülerzahl: max. 15–16 Schülerinnen u. Schüler 

Der Künstler Pygmalion verliebt sich in eine von ihm geschaffene Statue. Er bittet die Göttin Venus, diese Statue  zum Leben zu erwecken. Sein Wunsch wird erfüllt und die Statue erwacht langsam zum Leben ...

Wir lesen die Geschichte von Pygmalion und setzen sie tänzerisch, musikalisch und künstlerisch um. Wir führen unsere Ergebnisse auf dem Schulfest vor. Geplant sind zwei Aufführungstermine im Musikraum. 

Mitzubringen sind: 

  • (möglichst) schwarze Sportkleidung und schwarze Socken 
  • Stift und Papier 
  • Freude am Improvisieren 
  • kreative Neugier 

Text: Ovid, Metamorphosen, 10, 243–297  

          Pygmalion 

Musik: Philip Glass, Metamorphoses (und andere) 

Kunst: Canova und der Tanz 

Chemie ist Metamorphose 

Bäng! Plötzlich ist der Stoff, der vorher noch so unscheinbar auf dem Tisch lag, mit großem Getöse und viel Rauch in Luft aufgegangen. So stellt man sich Chemie vor. Und in der Tat: Veränderungen von Stoffen sind ein wichtiger Aspekt der chemischen Wissenschaft. Es gibt Hinweise darauf, dass die alten Alchemisten des Mittelalters sich an den Mythen des Ovid orientiert haben. Wir wollen in unserem dreitägigen Projekt zwei Dingen auf den Grund gehen:  

Was hat die Alchemisten getrieben, welche Veränderungen (Metamorphosen) sind von uns aufzuspüren, können wir Alchemistenchemie nachvollziehen? (experimenteller Ansatz; Dokumentation der Ergebnisse im Film) 

Und welche Reaktionen eignen sich besonders, um die Umwandlung, die Transmutation, die Metamorphose zu zeigen. Auch das wollen wir untersuchen. Am Ende wird ein kleiner Film als Ergebnis stehen (Handys oder Kameras mitbringen). 

Bachs Kantate „Geschwinde, ihr wirbelnden Winde.”

„Der Streit zwischen Phoebus und Pan” BWV 201

Im Zentrum des Projekts steht das Buch XI, Vers 150ff aus den Metamorphosen Ovids. Wir werden uns mit dem Originaltext auseinandersetzen sowie mit der griechischen Mythologie. Neben einer exemplarischen Übersetzung steht auch eine Beschäftigung mit antiken Instrumenten auf dem Programm. Eine Analyse der beiden zentralen Arien aus der Bach-Kantate unter musikalischen und literarischen Gesichtspunkten sind ebenso Thema des Projekts wie die Beschäftigung mit Texten zu Bach und Ovid. Interesse an intensivem Arbeiten mit hoher Eigeninitiative wird vorausgesetzt.

Es werden Vortreffen stattfinden. Ihr könnt euch im Vorfeld bei uns informieren, ob das Projekt für euch geeignet ist. Sollte es interessierte Schüler aus jüngeren Jahrgängen geben, sprecht uns bitte direkt an.

© David Spear – Arcadia, 2004